Negative Emissionen dank Bioenergie
Bioenergie und CO2-Speicherung passen zusammen, sagt Daniela Thrän, Professorin und Abteilungsleiterin am Deutschen Biomasseforschungszentrum und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Diese Chance müsse jetzt klarer gemacht werden.
Professorin Daniela Thrän leitet den Bereich Bioenergiesysteme am DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum sowie die Begleitforschung zur durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschung in der Energetischen Biomassenutzung. Am Rande der 8. Statuskonferenz des Forschungsnetzwerks Bioenergie sprach sie im Interview über Trends, Zukunftsperspektiven und bessere Bedingungen für die Bioenergie.
Frau Professor Thrän, was beschäftigt die Community im Bereich der energetischen Biomassenutzung derzeit besonders?
Da gibt es zwei Themen. Das eine ist, wie man Bioenergie zusammen mit anderen erneuerbaren Energieträgern so einsetzt, dass man einen umfassenden Beitrag zur Energiewende liefern kann – nicht nur im Strombereich, auch im Wärmebereich, auch im Kraftstoffbereich. Das zweite Thema dreht sich um Verbrennungsprozesse, mit denen Bioenergie ja häufig zu tun hat. Am Ende müssen die nicht nur klimafreundlich sein, sondern auch mit niedrigen Luftemissionen einhergehen.
Wo sehen Sie die stärksten Trends in der Forschung?
Die inhaltlichen Trends richten sich bei der Bioenergie immer noch stark nach dem Gesamtsystem. Denn sie wird immer da eingesetzt, wo Alternativen wie Wind und Solar nicht so gut nutzbar sind. Kurzfristig gibt es den Trend, dass wir flexible Backup-Kapazitäten brauchen, für die Versorgungssicherheit im Strombereich. Längerfristig geht es darum, was Bioenergie im Verkehrsbereich leisten kann, etwa bei Flugzeugen und Schiffen. Mit Sonne oder Wind gibt es hier wenige Optionen. Über Wasserstoff könnte man viel machen, aber das ist aufwendig und langfristig. Im Wärmebereich stellt sich unter anderem die Frage, wie man Bioenergie für industrielle Hochtemperaturprozesse nutzen könnte. Eine weitere aktuelle Frage ist, ob wir CO2 aus der Atmosphäre entnehmen wollen. Dann spielt CO2 aus Biomasse noch eine ganz andere Rolle.
Negative Emissionen dank BECCS
Dann sind wir beim Stichwort BECCS – Carbon Capture and Storage im Bereich Bioenergie. Was steckt für ein Potenzial darin?
Mit dieser Technologie scheiden wir das CO2 ab, das bei der Erzeugung von Energie unter Einsatz von Biomasse entsteht. Damit haben wir nicht nur eine Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre, sondern auch noch ein Energieprodukt. Die Umsetzung ist nicht so sehr ein technisches Problem. Es ist auch nur begrenzt ein finanzielles Problem, weil BECCS ja immer gedacht war als ein Element in einem „Werkzeugkasten“ zur CO2-Reduktion. Es muss dabei nicht das billigste sein. Das Umsetzen ist vor allem eine Frage der Akzeptanz: Die Lagerung des abgeschiedenen CO2 ist in Deutschland noch ungeklärt. Da gab es schon Überlegungen, aber insbesondere in der öffentlichen Meinung auch große Widerstände. Wenn wir BECCS in der Bioenergie nutzen würden, könnten wir von negativen Emissionen sprechen. Darin liegt eine große Chance.
Was ist hier mit „negativen Emissionen“ gemeint – man entnimmt doch nur das CO2, das im Prozess entsteht?
Negative Emissionen heißt, dass man CO2 aus der Atmosphäre entzieht. Wenn man den Kohlenstoff, den die Pflanzen gebunden haben, als Bioenergie nutzt, ist das entstehende CO2 klimaneutral, wenn es wieder in die Atmosphäre entlassen wird. Wenn das CO2 aber nicht wieder in die Atmosphäre entlassen, sondern abgeschieden und abgelagert wird, wird der Atmosphäre auf diesem Weg CO2 entzogen – man spricht von negativen Emissionen.
Wo könnte die Bioenergie generell ihre größte Wirkung mit Blick auf die Energiewende erzielen?
Wenn wir auf die Rest- und Abfallstoffe schauen, können wir davon ausgehen, dass es in Deutschland etwa tausend Petajoule an energetisch nutzbarer Biomasse gibt. Das sind sieben bis acht Prozent vom Primärenergieeinsatz aktuell. Die Frage ist, wie und wo wir das am besten nutzen. Am günstigsten ist es ganz klar im Wärmebereich. Wenn man sich aber sagt, der größte Effekt liegt da, wo wir am meisten CO2 einsparen, dann ist das derzeit im Strombereich. Weil jede Kilowattstunde, die wir nicht aus Kohle machen, sehr viel davon einspart. Weiter geschaut, Richtung 2050, kann der Einsatz von Bioenergie dann vor allem im Flugverkehr, im Schiffsverkehr oder in der Industriewärme einen besonders großen Beitrag leisten.
Potenzial für Biomasse-Kraftstoffe
Wo liegen die größten Herausforderungen oder auch Hemmnisse auf dem Weg zu mehr Bioenergie?
Aus meiner Sicht bräuchte man bessere Bedingungen, damit die Bioenergie in den nächsten 20 Jahren eine wichtige Rolle einnehmen kann. Um das Potenzial nutzen zu können, brauchen wir Anreize, zum Beispiel in der Strompreisbildung, wie etwa das EEG. Insbesondere brauchen wir Anreize im Verkehrsbereich. Hier liegt großes Potenzial in der Erzeugung von Lignozellulosen-Kraftstoff aus holzartigen Biomassen. Da gibt es viele gute Ansätze, aber wir sind noch nicht im Markt.
Was könnte die Politik dafür tun, Hemmnisse zu reduzieren?
Ein CO2-Preis quer über alle Sektoren wäre insbesondere für die Bioenergie sehr hilfreich. Damit man tatsächlich einen gewissen Wettbewerb der besten technischen Optionen auf den Weg bringt. Das gilt uneingeschränkt. Und: Bioenergie kommt als Haupt- oder Nebenprodukt häufig aus Wäldern. Hier brauchen wir im Sinne einer künftigen Bioökonomie einen Nachhaltigkeitsnachweis über die ganze Wertschöpfungskette. Und der dritte Bereich, wo die Politik jetzt etwas tun kann: klarer machen, was die BECCS-Option bedeutet. Sprich, es sollten Szenarien entwickeln und diskutiert werden. Dann können wir entscheiden, ob die Technologien, die wir heute erforschen, auch die sind, die mit BECCS funktionieren würden. Eventuell muss man dann regulatorisch und forschungspolitisch noch mal nachsteuern.
Wie steht es um die Akzeptanz der Bioenergie?
Wenn es eine Teilhabe für die Bürgerinnen und Bürger gibt, ist die Akzeptanz höher – wenn jeder was von der Biogasanlage oder dem Windpark in der Gemeinde hat. Ich denke aber, das allein ist nicht der Weg. Denn im Moment ist die Situation so: Ich kann als Bürgermeister oder Landesvater beschließen, nicht mitzumachen bei den Erneuerbaren. Das wiederum kann zu unterschiedlicher Akzeptanz führen – warum sollte ich etwas akzeptieren, was mein Nachbar nicht machen muss. Hier ist es aus meiner Sicht wirklich wichtig, noch mal die Rahmenbedingungen anzuschauen. Natürlich ist die Entscheidung über Flächen Landessache. Aber ich vergleiche das immer gern mit der Schulpflicht. Bildungspolitik ist auch Ländersache, trotzdem haben wir uns auf eine bundesweite Schulpflicht geeinigt, um der nächsten Generationen gute Ausgangsbedingungen zu geben. Und ich behaupte, der Ausbau der erneuerbaren Energien hat da viele Ähnlichkeiten.
Was wäre Ihr größter Wunsch für die Bioenergie – wenn jetzt die gute Fee vorbeikäme …
Bioenergie ist ein Teil der Energiewende und bleibt das auch nur, wenn die Energiewende erfolgreich ist. Wir stehen gerade an einem Wendepunkt. Die Frage ist: Werden wir es schaffen, ausreichend Menschen und Institutionen von der Notwendigkeit eines schnellen Handelns zu überzeugen? Wenn ich mir was von der Fee wünschen dürfte, dann das: dass wir die Energiewende wirklich als Gemeinschaftsaufgabe verstehen. Und dann wird Bioenergie dabei auch eine gute Rolle spielen.
Das Interview führte Sabine Dzuck, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.